„Des hät wiedermol schwer g’harzet“. Ein Spruch der allmählich aus dem alemannischen Sprachgebrauch verschwindet. Er bedeutet soviel wie, es ist Sand im Getriebe, es läuft unrund, es klemmt, es klebt. Begriffe und Synonyme aus Handwerk, Gewerbe, Bauernwesen verschwinden leise und unaufhaltsam. Fragt mal nach Stechuhr, Gatter, Zabis, Schöchle, Heuliecher, Wendhocke, Schwigger, Prellstoe oder Separator. Gut ist, dass derartige Wörter im Alemannischen Wörterbuch für die Nachwelt aufbewahrt, archiviert und erklärt werden. Brauchen tut man diese Begriffe aber im sich rasant ändernden Sprachgebrauch nicht mehr. Welcher Agrarier hat noch einen Heustock, wo er den Heuliecher braucht. Stellen wir uns dem unaufhaltsamen Sprachwandel, den es schon immer gab, und versuchen dennoch eine regionalsprachliche Mundart zu pflegen. Vor allem um eine lokale Identität, als Merkmal, als Marke auch nach Aussen selbstbewusst zu zeigen.
Was aber ist oder genauer was war Kalvattern und was hatte es mit uns zu tun?
Noch bis um 1900 traf man im Oberholz und am Hallenberg neben den verrauchten und auch etwas verruchten Köhlern auch Harzer. Die meisten aus dem Zinken „Harzerhieser“ am Höchst. Sie durften mit zähneknirschender Zustimmung der standesherrschaftlichen Waldbesitzer meist vorgeschädigte Fichten, ungern Tannen, aber vor allem die ergiebig harzenden, aber seltenen Kiefern, d‘ Forre, zum Harzen anzapfen. Die Harzer durchstreifen ihre Harz „trapp-line“ von Ritzbaum zu Ritzbaum und entnahmen den aufgehängten Sammelbüchsen oder Tonbechern das eingetropfte Harz. Die ausgesuchten Bäume hatten die Harzer mit einem fischgrätartigen Ritzmuster in der Rinde bearbeitet. Scharten hiessen diese Risse und sie wurden später auch ausgebessert zum Erhalt des angezapften Baumes. „Eine Scharte ausgewetzt“, so heisst das Sprichwort dazu. Also ein Sinnspruch aus dem Harzer Gewerbe. Auch das erzählt uns der Hallenberg. Über diese Rinnen floss das Harz in die Auffangbehälter. Diese wurden von Zeit zu Zeit abgeerntet, je nach jahreszeitlichem Harzfluss. Ein ungeschriebener Ehrenkodex besagte, dass jeder Harzer nur seinen Baum „abmelken“ durfte. Ein Objekt dazu ist ein Stempelhammer zum fälschungssicheren markieren des Harzerntebaumes.
Das Harz wurde zunächst in Tragebutten aus dem Wald gebracht und dann leicht erhitzt in Fässer gefüllt zum Verkauf an Händler. Die wiederum handelten mit Farb-, Firniss- und Terpentinherstellern, aber vor allem mit den harzhungrigen Schiffsbauern in ganz Europa. Denn kein Schiff aus Holz, wie die Weidlinge oder Lädinen, wäre geschwommen, ohne dass die Planken nicht vom Kalvatterer und seinem Gehilfen mit Werch, also Hanf, und Kalvatterharz kunstvoll abgedichtet worden wären. Eigentlich ein nettes, heimatseeliges Gefühl zu glauben, die Galeeren von Kolumbus wären mit Hallenberger Harz kalvattert gewesen.
Harz aus der Hallenberg Welt für die weite Welt. Was hat das Untere Bregtal doch alles zu bieten – sogar Colophonium. Vielleicht bringt feindestiliertes Oberholzer Harz, nämlich die mit Colophonium bestrichenen Geigenbogenseiten von Anne Sophie Mutter, den entscheidenden, zarten Klang.
Aber zurück zu heimatlichen Klängen. D‘ Schliefi von der Glasfabrik benötigte für das Gewirr der ledernen Transmissionsriemen auch die Harzer. Denn ohne das Harzen mit „Räehmeharz“ wäre die summende, surrende, kreischende Symphonie in der Transmission Stube völlig unerträglich gewesen.
Wie heisst der moderne Regio-Wahlspruch:
„Aus der Regio, für die Regio“ .
Das gilt auch für Harz.
©Hubert Mauz